Tunes/Tunesarten...? Der Versuch einer Gliederung

  • Tach allerseits,


    hier schlägt mal wieder mein (scheinbar typisch deutscher?) Ordnungswahn zu, den ich ja schonmal in Sachen Spielstile ausgelebt habe... ;) Mal wieder ist es so, dass ganz viel Wissen in vielen alten Beiträgen in diesem tollen Forum verstreut ist und teilweise aber auf Seite 3 oder 5 in irgendwelchen Unterforen bummelt und man sich erst durch Suchtreffer wühlen muss, um an die wirklich nützlichen Infos zu kommen.
    Dazu kommt, dass mir der Beitrag von Janine (alias Molly) gezeigt hat, dass die Theorie eben für viele nicht immer so ganz klar und selbstverständlich ist wie für die "alten Hasen" oder diejenigen, die schon auf Workshops "eingenordet" wurden.


    Zitat

    ich muss dazu sagen ich bin wirklich noten resistent..leider...und kann auch leider ziemlich wenig mit begriffen wie 2/4 takt oder so anfangen....wahrscheinlich ganz schlecht als Bodhran spielerin..hab es leider nie gelernt und habe momentan auch überhaupt keine möglichkeiten es nachzuholen:-/..kann halt eigentlich nur alles so aussem körper wackel gefühl!!!verstehst du viell wie ich es meine?erst geht der fuss mit und dann geht es ohne viel denken einfach los.....;-) Dazu kommt, ich höre den song und dann kann schon nicht erkennen ob jig oder reel!!!


    Bei meiner Suche bin ich jedenfalls auf diesen alten Thread gestoßen und fand den schon ziemlich klasse. Vielleicht einfach nochmal mit ein paar Videobeispielen versehen und man hat dann auch eine Art Stichwortverzeichnis zum eigentlichen Unterforums-Namen "Irische Musik - was sind eigentlich Jigs und Reels?"


    Unterschied Song - Tune - Lied - Stück:

    • Song = Lied = Gesangsstück (Mensch formt mit Worten oder Lauten Melodien)
    • Tune (engl; [tju:n]) = Instrumentalstück, häufig kurz "Stück"

    Song ist nicht das selbe wie Tune, das wird immer wieder gerne verwechselt! Merke: Du machst dir auf Sessions Freunde, wenn du nach einem geilen Set (Erklärung folgt!) nicht fragst, wie das Lied hieß, sondern dich nach den Tunenamen erkundigst. ;)

    • Set = In der irischen Musik wird in den allermeisten Fällen nicht nur ein Tune sondern mehrere Tunes hintereinander gespielt. Diese (häufig sind es drei) Stücke hintereinander heißen "Set", es wird also ein Tuneset/ Set of Tunes oder eben schlicht SET gespielt. In einem solchen werden, zumindest gilt das (fast) immer auf Sessions, die Tunearten (Erklärung folgt!) nicht gewechselt.


    Aufbau von Tunes/Sets:
    Die irischen Instrumentalstücke folgen (für gewöhnlich, in den meisten Fällen, Ausnahmen bestätigen die Regel usw ect...) einem festen Schema.

    • Unterscheidung in A und B Teil. (nicht ganz so selten auch noch C- oder sogar noch D-Teile)
    • Ein Teil besteht für gewöhnlich aus 8 Takten.
    • Die Teile werden (meistens, sehr häufig, fast immer) wiederholt.
      -> gespielt wird also, für einen Tune-Durchgang: AA BB (32 Takte, viel Spaß beim Zählen! ;) SCHERZ! Natürlich hört man das, mit der Zeit in jedem Fall!)
    • In der Regel spielt man auf einer Session einen Tune 3x durch. Sprich: AABB AABB AABB.
      Falls das Wort "again" gerufen wird (meist in aabb aabb aabB), soll den Mitmusikern eine 4. Wiederholung angekündigt werden.
    • Irische Weisheit: auf einem Tune steht es sich schlecht. Daher Tunesets. Regel: Derjenige, der das erste Stück beginnt bestimmt auch die folgenden. Die Tunes werden möglichst nahtlos aneinander gespielt, also keine Pausen oder Tempowechsel! Außerdem gilt, wie schon gesagt, dass die Tunearten sich in einem Set nicht ändern!
    • Ein typisches Sessionset sieht also wie folgt aus:
      AABB AABB AABB | AABB AABB AABB | AABB AABB AABB. (3x32 Takte= 96 Takte, 3x 96= 288 Takte insgesamt)


    Die typischen Tune-Arten der irischen traditionellen Musik:
    Rolf: "Die unterschiedlichen Typen der Tunes sind meistens durch den Rhythmus definiert (und Geschwindigkeit etc.). Eigentlich sind das ja alles Tanzmelodien, daher sind sie auch über den entsprechenden Tanz definiert." (siehe hier)


    Hinweis: d= down= Runterschlag (downstroke), u= up= Hochschlag (upstroke)


    Die 2 Wichtigsten/Häufigsten:

    • Jig 6/8-Takt
      1 Takt auf der Bodhran: 6 Schläge (d u d u d u)
      Zählen: 1 2 3 | 4 5 6
      Betonung: Auf 1 und 4. Der Witz: Die erste Betonung ist ein downstroke, die 4-Betonung erfolgt jedoch auf einen upstroke. Dies ist (insbesondere am Anfang) eher "komisch" für die Stickhand.
      Beispielvariante 1: Weglassen des 2. Schlags. Pattern für 2 Jig-Takte: d - d u d u | d - d u d u
      Beispielvariante 2: Besonders im Jig bietet sich die "Erforschung" der double-down-Technik an. Pattern für 2 Jig-Takte: dud dud | dud dud


    • Reel 4/4-Takt
      1 Takt auf der Bodhran: 8 Schläge (d u d u d u d u)
      Zählen: 1 und 2 und 3 und 4 und (bei normalflotten Reels zählt man ohne unds!! Oder man macht sehr schnelle unds... *grins*)
      Betonung: Meistens entweder auf 2 und 4 (häufig Betonung durch höhere Töne) oder auf 1 und 3 (häufig Betonung der 1 durch Bass und der 3 durch höheren Ton).
      Varianten: vorhanden und vielfältig! :)
      Die beiden Beispiele als Pattern (für jeweils 2 Reel-Takte):
      Betonung auf 2 und 4: d u d u d u d u | d u d u d u d u
      Betonung auf 1 und 3: d u d u d u d u | d u d u d u d u


    Die "sonst noch häufig Anzutreffenden":

    • Polka 2/4 Takt
      1 und 2 und
      Betonung: Starke Betonung auf 1 und 2
    • Hornpipe 4/4 Takt
      aber langsamer als Reels, außerdem mit 3er-Feelig (bekannt aus Jigs)
      -> "Hüpfefeeling"
    • Slipjig 9/8 Takt
      1 2 3 | 4 5 6 | 7 8 9
      d u d | u d u | d u d
      Wichtig: In der durchgehenden down-up-Spielmethode wechselt die "Schlagart" der 1 von Takt zu Takt.
      Dudududud Ududududu Dudududud Ududududu (= 4 Takte Slipjig)
      Interessante Möglichkeiten ergeben sich hier durch Experimente mit double-downs... :)
      Betonung: Betont wird in jedem Fall die 1, je nach Stück, Laune und Mitmusikern noch eine Auswahl an 4, 7(!) und 9.


    Sonstiges:
    Für Menschen mit viel Freizeit ließe sich diese Liste noch LEICHT um Slides, Walzer, Slow Air, Mazurka, Fling, ... erweitern. Wer mag, bitte! ;)


    Jetzt ein paar youtube-Beispiele:
    Habe versucht ein paar Paradebeispiele zu suchen, also nicht umbedingt das GEILSTE Reelset von Lunasa EVER, sondern ein gut hörbares (und wie ich eingentlich auch finde, doch sehr hübsches) Teil, bei dem die Struktur deutlich wird.


    Joa, dann war's das erstmal von meiner Seite.
    Auf Erweiterungen, Diskussionen, Vorschläge, Fragen usw. freu ich mich schon jetzt!! :thumbsup:
    Liebe Grüße und viel Spaß beim Trommeln,
    eure kleine Listenfanatikerin :whistling:
    Doro


    PS: Warum fällt mir am Ende eines solchen ****Posts eigentlich ein, dass man ja auch einfach sagen könnte "Ey, kauf dieses und jenes Buch, da stehts in der Einleitung hervorragend erklärt..." WURST! ;)

    in dubio pro REELS 8)

    2 Mal editiert, zuletzt von Doro () aus folgendem Grund: Rechendreher ändern

  • Moin
    sehr schöne Übersicht, vielen Dank Doro!
    Anmerkungen:

    Zitat

    Ein typisches Sessionset sieht also wie folgt aus:
    AABB AABB AABB | AABB AABB AABB | AABB AABB AABB. (3x32 Takte, 96 Takte)


    Das sind dann allerdings 3x (3x32 Takte, 96 Takte) = 288 Takte.



    Zitat

    Unterscheidung in A und B Teil. (nicht ganz so selten auch noch C- oder sogar noch D-Teile)


    oder noch mehr. Aber die deutliche Mehrheit ist natürlich AABB.



    Zitat

    Die Teile werden (meistens, sehr häufig, fast immer) wiederholt.


    mit doch einigen Ausnahmen, wo nur die Teile nur einmal gespielt werden.
    Auf der wunderbaren Seite kann man sich die Verteilung dieser Geschichte bei reels ansehen:



    Zitat

    In der Regel spielt man auf einer Session einen Tune 3x durch. Sprich: AABB AABB AABB.
    Falls das Wort "again" gerufen wird (meist in aabb aabb aabB), soll den Mitmusikern eine 4. Wiederholung angekündigt werden.


    Das mit dem again ist so eine etwas deutsche Geschichte geworden: In Irland schaut man mal nach 3 Durchgängen, was derjenige, der das Set angefangen hat so macht, wenn der noch verträumt vor sich hingeigt/flötet/boxt/concertiniert/liltet/pipt, dann rechne ich mit einem weiteren Durchgang, gerne auch mal mit 5 oder 6 Durchgängen. Wenn derjenige wechseln will, macht er durch einen kleinen Blick auf sich aufmerksam. Hier wird also der Wechsel angezeigt, beim again rufen, das weiterspielen. Geht sicher beides, mir ist die Variante ohne again irgendwie sympathischer.



    Zitat

    Außerdem gilt, wie schon gesagt, dass die Tunearten sich in einem Set nicht ändern!


    Ausnahme, siehe auch Dein youtube Beispiel: Jigs und Slip Jigs werden schon mal miteinander verwurstet, auch in der Session. Ich finde das immer etwas komisch, aber das kommt häufiger vor.


    Super Sache! Danke für Deine Mühe!
    Grüße
    Der Rolf

  • Super, danke für die Ergänzungen, Einschränkungen, Hinweise!
    Und für's Nachrechnen!! ;) (Zahlen...pff! Und ich dachte noch, komisch, die Zahl ist so klein...)


    Gruß!
    Doro

  • Prima Projekt, Doro!
    Ich mochte besonders die Tin Whistle Spielerin mit den Reels.
    Kommentar eines anderen Users:


    "Well done Clodagh ...you have reminded me why my tin whistle now sits on my window sill, stuffed with cotton wool and growing alfalfa out the holes which I trim now and then to look like a caterpillar."
    :rolleyes::)

    ...and I never will play the Wild Rover no more!

    Einmal editiert, zuletzt von Gyde ()

  • Hallo zusammen
    Ein toller Beitrag, der mir sehr viel weiter hilft.
    Leider kann man sich die Videos nicht anschauen, da sie Privat sind.
    Gibt es ein Möglichkeit sich die anzuschauen?



    Lg Patti

  • Moin Rolf


    wie sieht das Polka-Pattern nochmal aus, welches Du uns in Proitze beigebracht hast? Nur fürs Verständnis; bin nämlich mit dem 2/4 Takt grad sehr verwirrt


    Danke schon mal


    Lg Patti

  • Hi Patti,


    danke für das Lob! :)
    Ja, die Videolinks habe ich einfach von youtube reinkopiert, aber die sind wohl veraltet. Ich such beizeiten mal neue Videos raus, danke für den Hinweis!


    Liebe Grüße
    Doro


    PS: Ah, ein schöner Polka-Swing, den Rolf da beschreibt. ;)

  • Ja ,aber die Betonungen sind doch ganz anders wie bei Deiner beschriebenen Polka


    Bin jetzt noch verwirrter



    ich hab mich grad mal durch die Tutorials bei Youtube geklickt ; es gibt ja 1000 Variationen ;-).

  • So wie ich Rolf verstehe, hat er euch bei der Polka ein
    DOWN up IN -(Pause) DOWN up IN -(Pause) beigebracht.
    Das entspricht:
    EINS und ZWEI (und) EINS und ZWEI (und)


    ...könnte das passen? Stimmt das, Rolf?
    Aber in der Tat, die Varianten sind zahlreich und vor allen Dingen bei Polka sehr unterschiedlich, je nach Spielstil (vor allem der Melodiespieler!). Insbesondere Polkas werden in den verschiedenen Regionen Irlands ganz unterschiedlich gespielt und erfordern besondere Sensibilität der Begleiter. :) IMHO gilt vor allem: Polkas lieber nicht begleiten als sie schlecht zu begleiten. Denn nichts ist für Melodiespieler blöder, als ihren Polkaswing zu verlieren, weil ein Trommler oder ein Gitarrist sich wie bekloppt abhetzt. ...Dann doch lieber erstmal Jigs und Reels! ;) (nein, ich will niemanden vom Polkaüben abhalten)

  • Moin
    äh nein!!!
    Nix Pause!
    Ich weiß wirklich nicht mehr, ob ich das in Proitze nun so unterrichtet habe, aber wenn Polka, dann half time, also down auf die Eins, up auf die Zwei. Bumm tschik.
    Und dann als schöne Variation ein 3-3-2 pattern, down up in, down up in, down up. Ergibt in der Summe acht, geht also auf.
    Hier ausführlich von Matt Bell erklärt:

    Grüße
    Der Rolf
    PS
    Der letzte Abschnitt von Doro stimmt dann wieder!