Storytelling

  • Hallo,
    ich dachte, das Erzählen Abende füllender Geschichten ist ja eine gute irische Tradition, und vielleicht möchte ja noch jemand ein besonderes Erlebnis zum besten geben-
    und da der Abend heute nicht mehr sehr lang wird, hier meine eigene Geschichte:

    Heute war tolles Frühlingswetter, und ich beschloss, mich mit meiner Trommel auf ein Stück Landschaft zu setzen und im Grünen zu üben.
    Nach einigem Suchen fand ich in der Weite der nordhessischen Berglandschaft den idealen Platz. So weit wie möglich von jeder menschlichen Behausung entfernt, rechts und links vom Feldweg nur Kornfelder, vor mir der Weg, eine kaum befahrene Landstraße und ein ausgedehntes Rapsfeld, hinter mir eine Pferdekoppel, über mir der blaue Himmel.
    Ich fing an zu üben; die Wolken kamen, die Wolken gingen. Über mir und der Bodhran kreiste ein Raubvogel, der Raps duftete. Nach etwa einer dreiviertel Stunde kam ein ein kleines weißes Auto die Straße entlang und schwenkte umständlich auf den Feldweg ein. Es kam schaukelnd auf mich zugefahren, und ich machte mich auf ein aufklärendes Gespräch mit dem Bauern, der sicher zu seinen Pferden wollte, gefasst. Gemächlich griff ich nach meinen Sachen, um den Wagen aus dem Weg zu fahren. Jedoch- das weiße Auto hielt an, der Fahrer kurbelte das Seitenfenster herunter und sagte wortwörtlich:
    "Haben Sie eine Pizza bestellt?"

    -Es stellte sich heraus, dass tatsächlich irgend jemand den Pizzaservice gerufen hatte, der Fahrer aber seinen Kunden nicht finden konnte. Es gab Margherita oder Tonno. Schleck. Nach einigem Hin und Her beschloss der Fahrer, doch nochmal auf die Suche zu gehen, wobei er versprach, wiederzukommen, sollte sich die Bestellung nicht ausliefern lassen. Ich übte weiter, bis der Hunger zu groß wurde (dies ist der Helden-Anteil in meiner Erzählung), und gab dann das Warten auf.

    ...and I never will play the Wild Rover no more!

  • servus gyde,

    guter thread und vor allem:

    geniöse geschichte!!! ich hab gedacht ich werde humorbedingt inkontinent (vornehm ausgedrückt ...).




    ich hab gaaanz feste nachgedacht. dummerweise ist deine story kaum zu toppen.
    abgesehen vielleicht von der geschichte mit dem Australier, der zu Norbert Eckermann kam und für seine Tochter eine winzig kleine Trommel aus seinem Preputium gemacht haben wollte...
    (Die Story stimmt, ich war dabei!!!)

    have fun
    Bernhart

  • was norbert gesagt hat (O-Ton): "Als Korpus geht sich dann aber nur ein Fingerhut aus..."

    dann natürlich grosses gelächter.

    gebe ja zu dass recht viel punsch involviert war. wenn ich mich recht erinnere wars ein weihnachtsmarkt am karlsplatz in wien.

    obs vom aussie ernst gemeint war?!?!? hoffentlich nicht; würd ich mal sagen.

    have fun
    bern

  • Zitat

    Ich fing an zu üben; die Wolken kamen, die Wolken gingen. Über mir und der Bodhran kreiste ein Raubvogel, der Raps duftete.



    8o

    Wie oft soll ich dir noch sagen, du sollst üben und nicht in die Luft kucken!!!

    Einer deiner strengen Lehrer...


    ;)

  • ...einfach nur genial, Gyde! Das ist ja fast so, als ob man ein UFO gesehen hat, hinterher fragt man sich, ob das jetzt wirklich wahr war...

    Gruß, Andreas

    Celtic Cowboys - Irish Folk, Bluegrass, Country, Blues -

    Bestes Countryalbum 2011: "A Simple Life"

  • Um mal diesen Thread wieder zu beleben, ist hier ein Link zu einem achtteiligen Video über die Tradition des Storytelling! Scheint auf einem irischen Sender gelaufen zu sein.
    Jetzt wirds ja wieder gemütlich, man blickt auf ein langes Jahr zurück-,
    da gibts doch sicher was zu erzählen?!

    Ich warte ja noch immer darauf, dass die Geschichte vom schottischen Bagpiper auf dem irischen Hügel hier erzählt wird! Uraufführung war, soweit ich mich erinnern kann, vor über einem Jahr in Proitze.
    Und wenn sich derjenige nicht meldet, von dem ich die Geschichte habe, erzähl ich sie selbst...!

    ...and I never will play the Wild Rover no more!

  • Ich habjetzt vor drei Wochen auf einer Session in Ballyhaunis was Neues erlebt: Poems.
    War echt klasse. Ein Typ in der Session konnte wohl kein Instrument und scheinbar auch nicht singen, also hat er Gedichte erzählt. Und zwar selbst geschriebene. Superlustig und tolle Atmosphäre.

    Gruß, Stefan

  • Ich habe in Drumshanbo einen alten Opi bei den Sessions erlebt,- der hat auch seine Stories in launige Gedichte gepackt.
    Jeden Abend stand er so etwa zweimal auf, die Hände in den Hosentaschen, das Becken leicht vorgeschoben, Mütze auf dem Kopf, und erzählte diese Fünf-Minuten-Gedichte von vorne bis hinten, ohne ein einziges Mal zu stocken.
    Da er mit Dialekt sprach, nicht mehr alle Zähne im Mund hatte und wahrscheinlich auch ein bisschen lecker Zeugs getrunken hatte, habe ich nichts verstanden. Kein Wort!! Aber die Reaktion der Zuhörer war schon für sich die Sache wert...

    An einem Tag habe ich ihn dann mal nachmittags getroffen und angesprochen, ob er mir nicht mal die Texte geben könnte- ich würde so gerne mehr davon verstehen? Er sagte aber, von seinen etwa zwölf Geschichten gebe es keine Niederschrift. Die habe er alle im Kopf.
    Er war dann so nett, mir eine davon etwas langsamer und mit Übersetzungen, wo sie nötig waren, zu erzählen. Es ging um die fantasievollen Versuche einer Dorfgemeinschaft, einen störrischen Esel zum Laufen zu bringen. Der Trick mit dem Kautabak, von rückwärts eingeführt, hats dann gebracht. Allerdings gab es anschließend ähnliche Schwierigkeiten damit, den Besitzer auf die nötige Geschwindigkeit zu bringen, um seinen Esel wieder einzuholen :)

    ...and I never will play the Wild Rover no more!

  • Oh Mann, hoffentlich wird so was nie, nie, nie aussterben! Ist aber leider zu befürchten wenn es diese kauzigen Opas nicht mehr gibt. Und dann wird Irland um einiges ärmer sein, da nutzt dann auch kein "Celtic Tiger".

    Coinín

  • Also der Poemteller aus Ballyhaunis ist noch kein Opa, ich schätze ihn so auf 40, d.h er bleibt uns noch eine Weile erhalten, sollte er nicht vorher wegen eines unnatürlichen Todes von uns gehen ;(:D .
    Gruß, Stefan

    PS: Der Tiger brüllt doch eh schon lange nicht mehr so laut...

  • So, na gut, Ihr habts nicht anders gewollt...
    hier kommt die romantische Geschichte vom Piper, wie sie mir auf dem Bodhran-Workshop 2005 in Proitze erzählt wurde:

    Es begab sich, dass eben dieser Piper seinen schottischen Dudelsack bei seinem Urlaub in Irland mit sich führte und an einem warmen Sommerabend auf einen irischen Hügel stieg, um den Sonnenuntergang musikalisch zu untermalen.
    Er stellte sich also auf der Kuppe auf, legte sich die Bordunpfeifen über die Schulter, klemmte sich den Bag unter den Arm, suchte sich die schönste Aussicht und fing an zu spielen.
    Die Sonne versank hinter den grünen irischen Hügeln, der Piper spielte schottische Weisen.
    Nach einiger Zeit sah er, wie aus dem nahe gelegenen Dorf Menschen den Hügel empor gestiegen kamen. Irische Menschen. Sie kamen alleine oder in Grüppchen ohne große Eile den Hügel hinauf und stellten sich um ihn herum auf.
    Dem Piper wurde ein wenig mulmig zumute; vielleicht gab es irgendwelche ihm unbekannte Gründe, nicht als Deutscher auf einem irischen Hügel schottische Weisen zu spielen?!
    Einige Zuhörer kamen näher und berührten ihn, nicht unfreundlich, also spielte er erstmal weiter. Nach und nach kamen noch mehr Einwohner aus dem Dorf den Berg hinauf. Alle stellten sich hin und hörten zu, einige fassten ihn an, niemand gab sich feindselig.
    Schließlich war es wohl dunkel geworden, unserem Musiker fiel auch nichts mehr ein, um die Zuhörer in Schach zu halten und er ließ das Instrument mit einem Seufzer ausklingen.
    Als sich die Zuhörerschaft langsam zerstreuen wollte, fasste sich unser Piper ein Herz und fragte einen der Zuhörer nach dem seltsamen Verhalten der Dörfler.

    Es stellte sich heraus, dass es eine alte Weissagung gab, nach der "der Piper auf dem Berge" mit seinem Spiel den Segen über das Dorf bringen konnte- und alle Einwohner waren gekommen, um diese Gelegenheit zu nutzen!

    ...and I never will play the Wild Rover no more!

  • Interessant wäre zu wissen, ob dann wirklich ein Segen über das Dorf gekommen ist. Gibt es da Informationen drüber, oder könnte der Piper dazu noch einmal befragt werden?

    Sehr schöne Geschichte !

    Vegetarier essen meinem Essen das Essen weg