Was heißt hier eigentlich traditionell?

  • Hallo,
    seit einiger Zeit trage ich mich mit dem -eigentlich unwichtigen- Gedanken, was gemeinhin als "traditionell" irische Musik gelten darf. Welche Elemente sind da unverzichtbar? Was darf nicht vorkommen?
    Ich stelle da mal eine improvisierte und höchst subjektive Liste zur Diskussion (Grüße vom Glatteis!)
    Grundgedanke: je mehr Kriterien erfüllt sind, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass die Aufnahme tatsächlich mindestens 50 Jahre alt ist und aus Irland stammt.

    a) Instrumente sind akustisch (vs. elektronisch)
    b) Es treten auf: In der Rolle der Melodieinstrumente Geige, Flöte, Box, Uillean pipes; zur rythmischen Unterstützung Gitarre oder verwandte Instrumente, Bodhran, Löffel. Was darüber ist, ist von Übel.

    c) Jigs und Reels sind in der Überzahl, erlaubt sind auch SlipJigs und Hornpipes, Märsche und Walzer, SlowAirs
    d) Aufbau der Jigs und Reels entspricht normalerweise AABB, jeweils acht Takte pro Teil, das Ganze meistens dreimal.
    e) Die Stücke werden in Sets von meistens drei gespielt (nicht nur in Sessions- auf vielen CDs ist das genauso!).

    f) Die Melodieinstrumente spielen meistens parallel; es gibt keine erste und zweite Stimme, schon gar keine dritte. Außer, wenn man schlecht gestimmt hat...
    g) Es wird nicht improvisiert (das darf nur die Bodhrán).

    h) Fiese Rythmen wie 7/8, 19/4 und 39/45 gibts nicht. Das Schlimmste sind 9/8 (siehe Liste c))
    i) OffBeats, Synkopen und andere Hinhörer sind neumodischer Krams, aber nicht generell verboten.
    j) Notenwerte von Jigs und Reels normalerweise Achtel; als Abwandlung (Hornpipe) punktiert- SlowAirs Viertel und Achtel Notenwert.

    Und jetzt wirds wirklich gefährlich für mich: Von Harmonik habe ich keine Ahnung. Ich halte mich raus; vielleicht können mal die Leute was dazu sagen, die auch Melodieinstrumente oder Gitarre spielen?
    Ich weiß nur, dass ich gelegentlich Harmonien höre, die irgendwie jazzig, bluesig oder so klingen. Zum Beispiel auf der tollen CD von Olaf Sickmann, die ich mir gerade gekauft habe. Klingt super, nur eben nicht richtig traditionell.
    So, nachdem ich mich hier um Kopf und Kragen geredet habe, bin ich gespannt auf Eure Meinung!

    ...and I never will play the Wild Rover no more!

  • Hallo Gyde!

    Meine bescheidene Meinung zu dem Thema:

    Also: Grundsätzlich ist in der Musik alles möglich und verschiedene Instrumente und Traditionen, die zusammen passen, auch zusammenzuführen, ist meiner Ansicht nach legitim, macht Spaß und kann vor allem auch zu einer Weiterentwicklung in der Musik führen. Allerdings haben auch Puristen, die deine o. g. Kriterien zum Gesetz erklären, eine gewisse Lebensberechtigung, da es sonst irgendwann vielleicht keine Traditionen mehr gibt, auf die man sich berufen kann und alles zum Einheitsbrei vermatscht.
    Das passt übrigens sehr schön zu unserem neuen Projekt DULAS, was seit Ende letzten Jahres besteht. Hier haben wir auch jazzige Akkorde mit z.T außergewöhlicher Perkussion gemixt. Die Soundsamples sind seit heute online :D

    www.dulasfolk.de


    LiGrü Michael

  • Hi,

    also für mich ganz persönlich ist "Traditional Irish Music",gespielt in der typischen Besetzung:

    Button akkordeon in B/C(sollte von Paolo Soprani sein),Konzert-Flute,Banjo,Gitarre,Fiddle und Piano.Natürlich gehört eine bodhran dazu!!!!!!!!!!!!!!

    Ansonsten finde ich auch dass grundsätzlich alle miteinfließenden Stilrichtungen ihre Berechtigung haben.

    Ich experimentiere ja schon einige Zeit mit einem Mix aus irish-oriental-Musik,besser gesagt mit Kombinationen von griechischen,türkischen und bulgarischen Tänzen herum.
    Auch arabische Raii-Einflüsse sind echt geil !!!
    Das ist doch alles tratidional !!!

    Michael : zu Dulas ,gar nicht schlecht,insbes.Eure weibliche Stimme.


    Grüße aus Bochum


    Padraig

  • Ich bitte mich nicht falsch zu verstehen- ich finde es toll, wenn sich neu und alt mischen! Bin ein großer Fan von Capercaillie, Flook und M.McGoldrick. 8) Und Olaf Sickmanns Aufnahme kann ich auch sehr empfehlen! Alles darf, nix muss.

    Aber meine Überlegungen kamen auf, als mich jemand darauf hinwies, dass diese Musik nicht mehr streng traditionell irisch sei. Stimmt ja auch.
    Naja, und dann habe ich halt darüber nachgedacht, was das eigentlich bedeuten könnte!

    ...and I never will play the Wild Rover no more!

  • guter gedanke gyde

    mir fällt dazu noch mehr ein - nämlich was is mit bands die (mehr oder weniger) in trad besetzung spielen, auch vom stil her in der ecke anzusiedeln sind, aber die es doch tatsächlich wagen SELBST GESCHRIEBENE STÜCKE 8o zu spielen....
    dürfen die sich irish trad band nennen?
    oder "band die musik in irischer art spielt" oder wie is dann die offizielle bezeichnung? (ok ok, letzteres war etwas überspitzt - aber die frage nach den selbst geschriebenen sachen war nicht ganz unernst)

  • Zitat

    Original von TimFinnegan

    aber die frage nach den selbst geschriebenen sachen war nicht ganz unernst)



    ...vielleicht ist ein selbstgeschriebenes Stück, das gut ist, irgendwann vielleicht bei "TheSession" auftaucht und keiner weiß, wo's herkommt, irgendwann auch einfach ein Traditional? Irgendwer wird die anderen Sachen auch geschrieben haben.
    Olaf Sickmann hat seine Eigenkompositionen ja schützen lassen, aber wenn man das nicht macht, werden die vielleicht schnell zum "Allgemeingut".

    Gruß Michael

  • Eben, eben!
    Das war auch meine Überlegung:
    Nur mal so ein Gedankenspiel und auf die Spitze getrieben-, wenn man die genannten Punkte alle beherzigen würde, könnte man ja dennoch einen bayrischen Walzer ebenfalls als irisches Traditional laufen lassen: Einfach die richtigen Instrumente, AABB dürfte auch kein Problem sein, zweite Stimme streichen usw...Was also macht denn nun die irische Musik aus!?

    ...and I never will play the Wild Rover no more!

  • Zitat

    Original von TimFinnegan
    die es doch tatsächlich wagen SELBST GESCHRIEBENE STÜCKE 8o zu spielen....
    dürfen die sich irish trad band nennen?



    Na klar, auch die "traditionellen" Tunes hat mal jemand geschrieben. Man denke nur an Michael Coleman oder andere, die in den 1920ern jede Menge Tunes geschrieben haben, die wir heute als "traditionell" bezeichnen. Aber was ist schon traditionell in einer "living tradition"...

    Das erinnert mich an einen Spruch von Paddy Keenan, der ja auch einiges geschrieben hat: Wenn man einen selbstkomponierten, "traditionellen" Tune einem Fachpublikum vorstellt, dann gibt es genau zwei Meinungen: Der Tune klingt wie ein anderer, bekannter Tune oder er ist irgendwie zu modern :rolleyes:

    Und was sind schon "traditionelle" irische Instrumente? Die Box ist sehr modern verglichen mit der Harfe. Das Banjo ist auch nicht so richtig typisch irish, ein Klavier schon mal gar nicht. Dagegen hatte das Saxophon , auch in den 20ern, einen festen Platz in der ITM.

    Wie gesagt, diese Tradition lebt zum Glück, die Frage nach den Konstanten in dieser Entwicklung ist wirklich interessant!

    Gruß, Andreas

    Celtic Cowboys - Irish Folk, Bluegrass, Country, Blues -

    Bestes Countryalbum 2011: "A Simple Life"

  • Hallo,

    Zitat

    Padraig: Button akkordeon in B/C(sollte von Paolo Soprani sein)



    Hallo, wieso denn genau dieser Hersteller. Sollten traditionell gespielte "typische" Instrumente noch vom Hersteller abhängig sein?
    O.k. Früher hat man viel auf Hohner & Soprani gespielt. Heute gibt es auch einige gute Boxhersteller (Castagnari, Saltarelle, Cairdin) in den gebräuchlichen irischen Stimmungen B/C , C#/D, während man z.B. die heutigen Hohner vergessen kann.
    D.h. deiner Meinung nach. Wenn schon Irish Trad, dann auch nur mit ner Bodhran von O`Kane ?(:D

    Is mir nur so aufgefallen, weil ich mir seit einiger Zeit ne B/C Box zur Brust nehme. :) Aber ich denke du meinst, dass es originaler rüberkommt, auf "alten" Instrumenten zu spielen.
    Dass wäre dann aber eher ein optischer Aspekt.

    "Traditionell" heisst ja irgendwie eine Tradition pflegen.
    Von daher würde ich persönlich irische Musik, ohne den Einfluss anderer Stile (Jazz, orient usw.), als Trad bezeichnen. Weil alles andere, d.h auch andere Musikstile, hat sich eh aus einer ehemals traditionellen Musik weiterentwickelt. Egal in welchem Land, bzw. aus welchem Land stammend.

  • Hi,

    warum eigentlich nicht nur "Irish Music" ??

    Ja ich denke auch ,das mit der "Tradition pflegen" stimmt.

    Ich meinte für mich persönlich ist ein traditionnelles Stück abhängig von den Instrumenten auf denen es gespielt wird.

    Ein tune gespielt auf einer Bouzouki klingt anders ,moderner als auf concertina oder box.

    Zur box:die Paolo Sopranis haben einen recht schnulzigen Klang.Spiele aber selbst Saltarelle in cis /d.

    Grüße

    Padraig

  • Hier werden verschiedene Dinge diskutiert:

    1. Was bezeichnet man überhaupt als irish trad? Welche Musikstücke gehören dazu? Gibt es bestimmte Tonarten/ Tonleitern?

    Hier würden mich auch die Aussagen von den Musitheoretikern interesserien, ich sehe zum Beispiel durchaus Ähnlichkeiten zwischen irish trad und mittelalterlicher Musik, da gibts doch bestimmt Gründe!

    2. Welche Instrumente gehören zum irish trad?

    Man kann auch auf allen Instrumenten alles an Musik machen, von daher würde ich das trennen von der Musikrichtugn an sich! Dann wären Heds Trommeln gar nicht so trad. Sieht man das aber als "Überlieferung" passt es schon wieder, dann haben wir nur ( :-) ) Verbesserungen eines traditionellen Instrumentes. Da die bodhran aber gar nicht so lange in der irish trad music zu finden ist, frage ich mich: Wie alt muss ein Instrument sein, um trad zu sein?


    3. Sollte trad pur sein, oder darf man mischen?

    Diese Frage werden wir hier nicht beantworten, da fünf Leute fünf Meinungen haben. Ich kann beide Pole gut verstehen.
    Einmal diejenigen, die irish trad möglichst unverfälscht spielen wollen, dazu gerne auch alte Instrumente nutzen. diese Seite sorgt dafür, dass alte Traditionen bewahrt und überliefert werden können! Sonst hätte man übrigens auch keinen Vergleich zwischern alt und neu...
    Dann die andere Seite, die gerne ein paar moderne Dinge einflechtet, die Musik weiterentwickelt, dabei vielleicht sogar Neues schafft. Was wären denn die Pogues ohne die Rolling Stones und den irish trad??

    Sich über diese zwei Positionen auszutauschen, finde ich sinnvoll, aber richtig ist keine, nein, beide!

    Klingt am Ende ein bisschen wie das Wort zum Sonntag,
    der Friede sei mit euch!

    Ach so: Andere sogenannte traditionelle Richtungen sind interessant, aber was bedeutet für mich als irish-folk-Liebhaber die traditionelle chinesische Musik????? Richtig : Nichts. Alles Trad, aber muss man es deshalb mischen, weil es beides traditionell ist??? Ich denke nein, also gibt es Grenzen, darum ging es Gyde doch wohl, oder habe ich dich falsch verstanden? Trotzdem würde ich mich immer noch nicht festlegen wollen......

    Noch was: Es ist im Endeffekt scheißegal, was man für Instrumente spielt. Die Musik wird dadurch nicht unbedingt authentischer, natürlich kann man mit einem Yamaha DX 7 keinen irish trad folk machen,aber andersherumn wird ein Schuh draus: Nur deshalb, weil man eine irische Lowdengitarre spielt, ist man noch lange kein irischer Musiker. (Ich hab nix gegen Lowden, war nur ein Beispiel!!!) Natürlich macht es vielleicht einem persönlich mehr Freude, aber ich würde keinen Bodhranspieler abqualifizieren, weil seine Bodhran z. B. aus Neuseeland kommt, der Stick aus deutscher Eiche hergestellt wurde oder die Ziege keine irische sondern eine schwyzerdytsche ist.....

    Liebe Grüße
    Sven

  • Zitat

    also gibt es Grenzen, darum ging es Gyde doch wohl, oder habe ich dich falsch verstanden?


    Ja, hast Du! Meine Frage bzw. die Überlegungen sind rein theoretischer Natur; für mich gilt: erlaubt ist, was gefällt, und ich mag beides.

    ...and I never will play the Wild Rover no more!



  • Hier ist auch die Bouzouki ein schönes Beispiel. Wenn Moynihan, Irivine und Co in den 60gern nicht so mutig mit diesem Instrument herumexperimentiert hätten, würde uns die Bouzouki in ihrer ursprünglichen Form vermutlich bis heute lediglich aus den Lautsprechern des Griechenrestaurants an der Ecke entgegentönen. Heute ist sie nicht mehr wegzudenken...


    Gruß Michael

  • Moin Gyde,

    der Wortsinn traditionell ist ja einigermaßen definiert – kann also ein gestern komponiertes und mit typischen irischen Instrumenten gespieltes Stück ein Traditional sein – ich würde sagen nicht. Wieviel Jahre braucht man dann dafür – keine Ahnung. Ist denn ein irisches ganz altes Stück, welches von einem bayrischen Blasorchester gespielt wird noch ein Traditional ? hmm, eigentlich ja schon – es ist nur versaut.....

    Dies würde auf eine einigermaßen irische Instrumentalisierung mit einem einigermaßen alten Tune hinauslaufen – der wohl auch noch aus Irland kommen sollte. Der Aspekt Irland wirft noch die Frage des „Originalen-Ursprungs“ auf – mit anderen Worten kann ein Traditional aus der Pfalz kommen ?

    Hmm, auf Verpackungen steht/stand immer naturidentische Aromastoffe – ich glaube diese Analogie wird man am Ende hier auch ziehen müssen. Wenn die Besetzung, der Rhythmus, Melodieverlauf etc. stimmt – dann ist es halt ein (gefühltes) traditional.

    Schöne Grüße
    Oliver

  • Hihi...
    Naturidentische Musikelemente...

    Wie man sieht, ist die Frage garnicht einfach zu beantworten. Was würde wohl ein Musiktheoretiker zu beachten haben, wenn er ein Stück schreiben wollte, das original irisch klingt? "Melodieverlauf", das hat was mit dem Aufbau des A- bzw. B-Teils zu tun, und natürlich mit den Harmonien und Notenwerten (ach, das hatte ich vergessen! Kommt mit in die Liste :] ). Spannende Diskussion!

    ...and I never will play the Wild Rover no more!

  • Zitat

    Original von OJey kann also ein gestern komponiertes und mit typischen irischen Instrumenten gespieltes Stück ein Traditional sein



    tja, aus heutiger, eher urheberrechtlicher Sicht gibt es da ja andere Kriterien: ist der Komponist nicht mehr bekannt ist, dann bezeichnet man es als "Traditional", sonst wird der Komponist genannt. Wäre Mozart seinerzeit nicht so groß 'rausgekommen, wäre die Zauberflöte ein Traditional ;)

    Die ganze Diskussion ist wirklich schwierig, weil

    - die Tradition sich entwickelt und immer neue Tunes dazukommen. Auch McGoldrick's Tunes sind irgendwie traditionell irisch. Sie werden auf Sessions gespielt und sie gehen wahrscheinlich in die Tradition ein. Dabei ist der Herr gebürtiger Brite!!!

    - es auch eine Frage der Komposition ist: Hier sind wirklich die Musiktheoretiker gefragt, weil es bestimmte Elemente (Taktmaß, Rythmus, Tonfolge) gibt, die eine spezielle Stilrichtung ausmachen. Schwierig, hier die typischen Elemente der ITM zu beschreiben. Es gibt ja auch eine Menge Tunes, die nicht klar zugeordnet werden können, als Beispiel seien schottische oder skandinavische Melodien genannt, die traditionell auch in Irland gespielt werden. Und zum Rythmus: Ist eine Polka typisch irisch? Wohl kaum, Polka wir in ganz Europa getanzt. Mazurka? Kommt ursprünglich aus Osteuropa, hat aber Eingang in die ITM gefunden.

    Welche Details sind nun typisch Irisch? Mir fallen spontan bestimmte Verzierungen in der Melodie ein, auch Techniken des Geigenspiels (Rolls, Triplets,...), die es so in der Klassik nicht gibt. Die Taktmaße sind eher üblich, 4/4 etc gibt es überall, 6/8 kann auch eine Tarantella sein und 9/8 ist auch ein gängiger Rythmus in Brasilien. Dort klingt er allerdings nicht wie ein Slip Jig ;)

    Ich fürchte, das ist eine ewige Diskussion, weil "traditionell" nicht nur durch die Musik, sondern durch das Gesamtgebilde der jeweiligen Kultur definiert wird. Typisch irisch ist eben auch der Hang zur Mystik, das Storytellling usw. Und das spiegelt sich m.E. in der Musik wieder.

    Gruß, Andreas

    Celtic Cowboys - Irish Folk, Bluegrass, Country, Blues -

    Bestes Countryalbum 2011: "A Simple Life"

  • lese grad im "irish reel book" von Patrick Steinbach:

    Irische traditionelle Musik ist laut der Definition des International Folk Music Council von 1954 (!)
    "...das Produkt einer musikalischen Tradition, welche sich als Prozess einer mündlichen Überlieferung entwickelt hat. Die Faktoren, die eine solche Tradition formen sind:
    a) Kontinuität in der Weitergabe, welche die Vergangenheit mit der Gegenwart verknüpft;
    b)Variationen, die vom Individuum oder von der Gruppe erfunden werden;
    c) Auswahl der Themen durch die Gemeinschaft der Musiker und Zuhörer, welche bestimmen, in welcher Form die Musik weitergegeben wird."

    Liebe Grüße
    Sven

  • Tja, genauer gehts wohl nicht. Und woran erkennt der erfahrene Bodhran-Spieler die irische Musik? Naja, wie gesagt- war eine rein akademische Frage.

    ...and I never will play the Wild Rover no more!

  • Gyde: Da hast du Recht, da sind wir jetzt auch nicht schlauer, bezieht sich halt auf alles Traditionelle.

    Andere Frage: Wäre nach dieser Definition nicht auch Klaus & Klaus mit "An der Nordseeküste" traditionell *grusel* Hilft also auch nicht wirklich weiter.....


    Liebe Grüße
    Sven

  • Moin,

    in meiner Magisterarbeit habe ich folgendes zu dem Thema geschrieben:

    Was ist traditionelle irische Musik?

    Als Grundlage für die Definition, was traditionelle irische Musik im Sinne dieser Arbeit ist, soll das Regelwerk für die All Irland Champions, den irischen Meisterschaften für traditionelle irische Instrumente, dienen. Dieses wurde von Comhaltas Ceoltóirí Éireann, der irischen Gesellschaft für traditionelle Musik, geschaffen.

    In diesem Zusammenhang wird hiermit festgelegt, daß traditionelle irische Musik ausschließlich auf den Instrumenten gespielt wird, die bei den All Ireland Meisterschaften in der Kategorie Solomeisterschaft zugelassen sind. Dabei handelt es sich um folgende Instrumente:


    - Geige
    - zweireihiges Knopfakkordeon
    - Querflöte
    - Tin Whistle
    - Tasten-Akkordeon
    - Concertina
    - Uilleann Pipes (irischer Dudelsack)
    - Harfe
    - Maultrommel
    - Banjo
    - Mandoline
    - Klavier
    - Einreihiges Melodion
    - Bodhrán
    - War Pipes (Highland Pipes / schottischer Dudelsack)

    Darüber hinaus soll die Gitarre und die irische Bouzouki, das Mandochello, die Mandola, sowie die Cittern in diese Überlegung mit einbezogen werden.

    Im zweiten Schritt sollen die Definitionen des Irish Traditional Music Archive (ITMA) mit einbezogen werden. Die folgenden Punkte wurden von dem Irish Traditional Music Archive zur Definition traditioneller irischer Musik festgelegt und sollen als Ergänzung der hier vorliegenden Begriffsdefinition dienen:

    - Es handelt sich um Musik der lebenden populären Tradition. Sie beinhaltet eine große Anzahl an Material aus der Vergangenheit und der Neuzeit, sowie kreative Prozesse während der Darbietungen etablierter Repertoires.

    - Sie ist tendenziell nicht konservativ. Wechsel entstehen in langen Prozessen und nur im Rahmen von allgemein anerkannten Prinzipien. Die meisten der neuen Kompositionen werden nicht als Tradition anerkannt, nur eine kleine Anzahl wird akzeptiert.

    - Da die Musik oral weitergegeben wird, ist sie einer größeren Veränderung ausgesetzt als notierte Musik. Durch den Fertigkeitsgrad des Künstlers können die Melodien in Form von Ausdruck und Verzierungen stark voneinander abweichen.

    - Es ist eine europäische Musik. In der Struktur, der Rhythmik, den Tonhöhen, den Arrangements und in den Themen der Lieder ähnelt sie der traditionellen Musik Westeuropas.

    - Sie wird von einer Generation zur nächsten weitergegeben, oder von einem Künstler zum anderen. Dies geschieht in der Regel durch Vorspielen und nicht durch Aufschreiben. Der Schüler erlernt sein Repertoire und seinen Stil durch Nachahmung von erfahrenen Musikern. In der Neuzeit werden ebenfalls Gruppen organisiert, in denen dies gelehrt wird (Workshops). Damit verbunden ist auch das Aufschreiben in Notenform. Ferner werden moderne Medien, wie Tonträger, Radio, Fernsehen und Internet immer wichtiger für die Verbreitung der Musik. Einige Musiker haben darüber hinaus auch Erfahrungen in klassischer und populärer Musik.

    - Teile des Repertoires werden zunächst individuell von Sängern und Musikern kreiert. Mit der Weitergabe von Künstler zu Künstler kann sich die Musik ändern und eventuell im Rahmen einer Arbeit von vielen, zu einer Musik des Volkes werden. Es besteht eine Gemeinschaft zwischen Komponisten, Künstlern und Zuhörern, was den Musikgeschmack angeht. Der Komponist erhält normalerweise kein Honorar für seine seine Werke und gerät oftmals in Vergessenheit. Viele Texte werden auf der Grundlage von bekannten Melodien vertont.
    Normalerweise unterscheiden sich die Stile und Repertoires der einzelnen Regionen. Durch die neuen Medien wie Radio, Fernsehen und Tonträger vermischen sich diese stark. Eine genaue regionale Herkunft zu ermitteln, wird immer schwerer.

    - Der Kern der traditionellen irischen Musik sind die Solomusiker, da hier der jeweilige Stil und die Technik am besten herausgehört werden kann. Gruppendarbietungen werden immer populärer. Gesang ist in der Regel unbegleitet. Der Gesang wird im Duett ursprünglich unisono gesungen. Melodien werden von den Instrumenten ebenfalls unisono gespielt. Einen Kontrapunkt zu setzen wird nicht angestrebt, Harmoniebegleitung findet in einfachen Formen statt.

    - Sie wird zu Hause gespielt, in öffentlichen Gebäuden und anderen sozialen Einrichtungen, wie zum Beispiel: Versammlungen, Feiern, Hochzeiten, Tanzveranstaltungen, Festivals und neuerdings auch im Radio, im Fernsehen und auf Tonträgern.

    - Notierte Texte und Melodien dienen nur der Erinnerung. Für die Darbietungen werden sie nicht benutzt. Viele Musiker und Sänger können keine Noten lesen. Dieses notieren sich das Material in anderer Form wie zum Beispiel Tabulatoren.
    - Die Musik umfaßt nur wenige Noten der Tonleiter. Die Struktur ist symmetrisch. In dieser sind Verschönerungen und Variationen des Textes, der Rhythmik, der Phrasierung und der Melodie zu finden. Dynamische Veränderungen sind sehr selten.

    - Lieder werden auf gälisch oder englisch dargeboten. Lieder in englischer Sprache sind stärker verbreitet. Lieder können schnell, langsam, streng oder entspannt in der Rhythmik sein.

    - Der Großteil der Instrumentalmusik wird als schnelle, isometrische Tanzmusik gespielt. Am häufigsten sind dies die Tänze Reel Viervierteltakt, Double Jig Sechsachteltakt und Hornpipe Zweiviertel- oder Viervierteltakt. Eher selten sind ruhige Stücke, die Slow Air genannt werden. Melodien werden im allgemeinen mit einem oder zwei Kreuzen gespielt, in einem Modus aus mehreren melodischen Modi (z.B. Dorisch, Ionisch, Mixolydisch usw.), die meistens sieben Töne in der Skala haben, manchmal nur sechs oder fünf.

    Insofern ist jegliche irische Musik im Sinne der oben genannten Punkte, traditionelle irische Musik.


    Ich hoffe jetzt bist Du schlauer liebe Gyde...

    Guido